Spüren Sie es auch?
„Der Aufbruch ist da!“
Er ist nicht nur da, sondern: „Mehr Aufbruch geht kaum!“. Das zumindest verkündete uns der Bürgermeister vor gut fünf Monaten bei seiner Haushaltseinbringung im Dezember. Über 30-mal benutze er dabei diese Formulierung um zu beschreiben auf welchem Weg er unsere Stadt sieht und was sich in seinem Budgetentwurf deshalb auch widerspiegeln würde.
Ein Wort kam dagegen nur einmal in seiner Rede vor und das war das Wort: „Verdoppelung!“. Damit wollte er kurz darauf hinweisen, welchen Preis die Bürgerinnen und Bürger von Gronau und Epe für diesen „Aufbruch“ zu zahlen hätten, nämlich nicht weniger als eine Verdoppelung der Grundsteuerhebesätze!
Zusätzlich sollte die Gewerbesteuer um 50 Punkte angehoben werden, was einer Steigerung von ca. 12% entspricht. Obwohl Gronau in etwa die Gewerbesteuereinahmen in Höhe der Stadt Bocholt erzielt, eine Stadt welche immerhin 22.000 Einwohner mehr beherbergt als Gronau, sollte auch hier nochmal kräftig zugelangt werden.
Soweit der Plan von Bürgermeister Doetkotte und Kämmerer Eising. Im Ratsrund löste diese Präsentation bei einigen Ratsmitgliedern ungläubiges Staunen aus und in der Bürgerschaft Unverständnis, Zorn und Kopfschütteln. Wir als UWG-Fraktion waren weniger überrascht, denn wir hatten in den vergangenen Jahren bereits darauf hingewiesen, dass wir die Leistungsfähigkeit der Verwaltung als nicht gegeben sehen, um all diese Vorhaben zu realisieren.
Im letzten Jahr war dem einen oder anderen Mitglied hier im Rat ein wenig unbehaglich, als ich mit in zugegebenem Masse klaren und deutlichen Worten dem Bürgermeister und der Verwaltungsspitze Führungsversagen und Planlosigkeit vorgeworfen habe. Aber ich kann sie beruhigen meine Damen und Herren, das bleibt ihnen heute erspart, denn der Beweis, dass ich recht hatte ist mit diesem Haushaltsentwurf durch den Bürgermeister selber erbracht worden. Das hier ist kein Aufbruch, sondern erinnert viel mehr an einen Zusammenbruch eines Kartenhauses, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Das der Verwaltungsspitze diese Tatsache auch insgeheim bewusst gewesen sein muss, zeigt sich daran, dass in der Sitzung der Haushaltseinbringung noch schnell einige Projekte wie die neue Großsportanlage in den Eper Bülten für über 11 Mio. Euro, sowie die Verlagerung des ZBU für 2,5 Mio. Euro als Grundsatzbeschluss verabschiedet wurden. Alle Hinweise der UWG und auch der WEG, dass man diese Beschlüsse doch nicht einfach fassen könne, nachdem der Bürgermeister einen Budgetentwurf mit diesen unannehmbaren Rahmenbedingungen vorgestellt hatte, verhallten bei der Ratsmehrheit von CDU, SPD, FDP und B90/Grünen ungehört.
Aber nicht nur diese Beschlüsse wurden gefasst, die vier Parteien beschlossen auch noch der QEG eine halbe Million Euro zukommen zu lassen, damit unabhängig vom Haushaltsbeschluss auf jeden Fall das fürstliche Honorar des CDU-Wunschkandidaten Dr. Robbers für seine Halbtagsgeschäftsführung abgesichert ist. Deshalb nehme ich es der CDU auch nicht ab, dass sie geschockt waren und nicht wussten was sie mit diesem Geniestreich des Bürgermeisters erwarten würde, als er die Steuerverdoppelung verkündete.
Zum einen konnte jedes Ratsmitglied wissen, dass wir Ermächtigungen von Haushaltsmitteln in Höhe von 40 – 50 Mio. Euro vor uns herschieben, ohne davon nennenswert in den letzten drei Jahren etwas abgebaut zu haben. Das liegt daran, dass wir zwar alles anfangen, aber kaum etwas fertig gestellt bekommen. Dieser investive „Schattenhaushalt“ wuchs also beständig an und wurde durch immer neue Maßnahmen und Ratsbeschlüsse weiter aufgestockt. Zum anderen frage ich mich wie man an dem Beschluss für die leere Hülle eines Ärztehauses für 20 – 25 Mio. Euro festhalten kann und sogar noch Kapital aufstockt für die Gesellschaft, nachdem sie hier alle die Zahlen des Budgetentwurfs gesehen haben?
Wie gesagt, Warnungen gab es genug, nur hören wollten Sie sie nicht. Als ich im Vorfeld unserer fraktionsinternen Haushaltsberatungen bei einem Termin in der Kämmerei war, um mir einzelne Positionen erläutern zu lassen sprachen wir natürlich auch darüber, wie es weiter gehen könnte. Meine Auffassung war ganz klar, dass wir endlich gegensteuern und zur Not auch Ratsbeschlüsse rückgängig machen müssen, denn wenn man die Einnahmen nicht verdoppeln will, dann bleibt nur die Ausgaben zu kürzen. Der Kämmerer war sehr pessimistisch, dass das gelingen könne, denn dafür gäbe es ja keine Mehrheit im Rat. Außerdem wolle sich bestimmt keine Fraktion damit unbeliebt machen irgendwelche Maßnahmen zu streichen.
Ich habe ihm damals schon gesagt, dass wir als UWG genau das machen werden, denn die Bürgerinnen und Bürger verstehen sehr wohl, dass gespart werden muss, wenn sie nicht derart zur Kasse gebeten werden wollen. Natürlich sind alle Maßnahmen wichtig und auch mit Ratsbeschlüssen hinterlegt, allerdings unterstelle ich einmal, dass die wenigsten Ratsmitglieder wissen, welche Maßnahme derzeit welchen Realisierungsgrad erreicht hat, oder noch gar nicht begonnen wurde. Hierin liegt ein großes Versäumnis des Bürgermeisters und des gesamten Vorstands, denn für diese Transparenz zu sorgen gehört zu ihren Pflichten dem Rat gegenüber wenn es um die Haushaltswahrheit und -klarheit geht. Damit eben genau das nicht passiert, was hier in den letzten drei Jahren abgelaufen ist. Ein Grundsatzbeschluss jagt den nächsten und Fragen nach Terminplänen und Kostenschätzungen werden oftmals damit abgetan, dass man ja erstmal planen müsse und der Rat doch immer die Kontrolle hat, da er den finalen Baubeschluss fassen muss.
Dies passiert aber dann häufig in völliger Unkenntnis über den tatsächlichen Umfang aller bisher gefassten Beschlüsse. Bestes Beispiel ist die Dezembersitzung, denn wenn dem Rat die ganze Tragweite dieses Entwurfs und die Diskussionen der letzten vier Monate wirklich klar war, warum wurden dann noch schnell die Beschlüsse für Sportanlage, ZBU, QEG und Ärztehaus gefasst? Es gibt nur zwei Erklärungen, entweder Unkenntnis, oder man wollte das ganz bewusst so. Ich tippe auf ersteres, denn ansonsten würde man die Steuererhöhungen ja einfach beschließen. Außer der grünen Fraktion war dazu aber wohl niemand bereit wie wir heute wissen, denn spätestens seit den Demonstrationen und dem erfolgreichen Quorum für die Durchführung eines Bürgerbegehrens gegen die Abfallgebühren ist auch den Fraktionen von CDU, SPD und FDP aufgegangen, dass dieser Haushalt ein Aufbruch in den Untergang sein könnte.
Also wurde in den letzten Wochen und Monaten in intensiven Sitzungen begonnen Kosten zu streichen, hauptsächlich nachdem die Fraktionen von UWG und WEG diese Richtung vorgegeben haben. Nicht unerwähnt soll hierbei bleiben, dass sich dem nach anfänglichem Zögern und stetig steigendem Druck aus der Bürgerschaft auch die CDU angeschlossen hat. Alleine die UWG-Fraktion hat über 40 Vorschläge zur Abstimmung stellen lassen, wovon die meisten allerdings keine Mehrheit fanden. Stattdessen wurde vieles geschoben und das meistens nur um ein oder zwei Jahre. Dieses Vorgehen mag uns in diesem Jahr Luft verschaffen, wird aber die Probleme in 2025 in verschärfter Form wieder aufleben lassen.
Es ist mir völlig unverständlich, wie man nach derzeitigem Stand immer noch ein Investitionsvolumen von rund 130 Mio. Euro, bestehend aus 60 Mio. Euro Investitionen und weiteren 70 Mio. Euro in Form von fortgeschriebenen Ermächtigungen, versucht weiterhin durchzudrücken. Wie wir alle wissen, hat es die Verwaltung im letzten Jahr geschafft Investitionen in Höhe von ca. 35 Mio. zu realisieren. Dies dürfte in etwa auch der Leistungsfähigkeit des Personalkörpers nebst externer Unterstützung für den Baubereich entsprechen und bestätigt meine Annahmen aus dem vergangenen Jahr. Wie können Sie meine Damen und Herren von CDU, SPD, FDP und Grünen dennoch weiterhin diese enormen Investitionsvolumina einfordern? Das umzusetzen widerspricht einfachen mathematischen Grundsätzen und ist nicht real, aber wir leben ja auch in der sogenannten „postfaktischen Zeit“ darum ist es vielleicht doch ganz normal. Das wir offenbar eine unterschiedliche Wahrnehmung haben offenbarte sich im vorletzten HFA, wo die Verwaltung zum ersten Mal die geforderte Prioritätenliste der geplanten Baumaßnahmen in Höhe von ca. 45 Mio. Euro vorlegte und die CDU-Fraktionsvorsitzende meinte: „Dann können wir ja noch 5 Mio. Euro ausgeben!“
Genau diese Haltung zeigt mir, dass bei aller Dramatik der Ernst der Lage immer noch nicht bei der Ratsmehrheit angekommen ist. Wir müssen endlich die Ursache des Problems bekämpfen und nicht nur an den Symptomen herumlaborieren. Die vergangenen HFA Sitzungen waren geprägt von einem Aktionismus welcher in Teilen an eine Notoperation erinnerte. In einem solchen Fall muss man natürlich zuerst den Patienten wieder stabilisieren und die Blutungen stillen, damit ein Kollaps verhindert wird. Aber wir befinden uns nicht in einer solchen Notsituation, sondern haben sie selber verschuldet mit unseren Ratsbeschlüssen und planlosem Verwaltungshandeln und der intransparenten Darstellung der Maßnahmenübersicht welche sich alle schon auf der Agenda befanden.
Auch hier hilft ein Blick in die Haushalte anderer Städte. Dort werden im Vorbericht alle nennenswerten Investitionsmaßnahmen samt Baubeginn und Status für den mittelfristigen Finanzzeitraum vorgetragen. Bei uns müssen die Ratsmitglieder sich den aktuellen Budgetentwurf und am besten den genehmigten Haushalt des vergangenen Jahres, sowie die Jahresabschlüsse der letzten beiden Jahre heraussuchen und sich damit dann mühsam einen Überblick verschaffen. Transparenz und Steuerung sehen anders aus.
Alleine die Diskussion zur Prioritätenliste im Hochbaubereich im vorletzten HFA haben doch gezeigt, wie schwierig es für viele Ratsmitglieder ist, den Überblick zu behalten. So kann natürlich eine effektive Kontrolle der Verwaltung oder realitätsnahe Beschlüsse zu Investitionsmaßnahmen nicht erfolgen. Genau aus diesem Grund vermute ich auch, dass es dem Bürgermeister und natürlich auch dem Stadtbaurat ganz lieb ist, dass eine gewissen Unübersichtlichkeit herrscht, den für sie ist die Situation damit recht komfortabel. Sie haben die Ratsbeschlüsse als Grundlage um die Projekte zu bearbeiten, können damit immer weiteres Personal fordern und haben über den Weg der Ermächtigungen immer genügend fiktives Geld um zwischen den Maßnahmen hin und her zu wechseln wie es gerade passt. Außerdem können sie entscheiden welchen Baubeginn sie forcieren und welchen sie lieber noch einmal ein Jahr liegen lassen. Maximale Freiheit bei minimaler Kontrolle!
Das funktionierte auch ganz prima, solange die Stadt das Geld am Kapitalmarkt umsonst hinterhergeworfen bekam. Nun aber, da die die Zeit der Zinsen zurückgekommen ist, muss kreditiert werden und für den Kapitaldienst wird echtes Geld benötigt. Da man im Rathaus aber offenbar so weiter wirtschaften wollte wie bisher, beschloss man den Bürgern tief in die Tasche zu greifen.
Davon ist heute nicht mehr viel übrig – zum Glück! Sie werden heute hier mit ihrer Ratsmehrheit eine Steuererhöhung von 5 % beschließen. Das ist für die Grundsteuer A und B eine Anhebung auf die GFG-Sätze 2024 des Landes und immerhin für die Gewerbesteuer noch eine Erhöhung um 22 Punkte. Gleichzeitig wollen Sie beschließen, dass „…Rat und Verwaltung in eine strategische Haushaltskonsolidierung eintreten…“. Sozusagen als eine Art Selbstverpflichtung.
Das ist löblich, nur leider stimmt es nicht, denn sie führen die Investitionsmaßnahmen und fast unverminderter Höhe weiter fort. Natürlich müssen wir Schulen modernisieren und den Ausbau des offenen Ganztags vorantreiben und wir müssen auch die begonnen Hoch- und Tiefbaumaßnahmen zu Ende bringen, aber doch nicht alles auf einmal und auf dieser unrealistischen Zeitschiene. Das beste Beispiel, dass sie liebe Kolleg/innen von CDU, SPD, FDP und Grünen NICHT wirklich eine strategische Konsolidierung in Angriff nehmen werden, ist das unbeirrte Festhalten an dem Projekt „Ärztehaus“ und der QEG. Solange Sie für solche Wolkenkuckucksheime noch 25 Millionen verbrennen wollen, kann von „Konsolidierung“ keine Rede sein. Es mag Ihnen ja egal sein, dass Sie damit zusätzlich die Probleme des Krankenhauses verschärfen, oder Sie glauben wirklich irgendein Investor wird da schon für Sie die Kohlen aus dem Feuer holen, obwohl Sie bis heute nicht einen einzigen Mieter vorweisen können, aber eins ist sicher: Die Zeche zahlen die Bürgerinnen und Bürger. Wenn nicht in diesem Jahr, dann im nächsten!
Und damit komme ich auch zu dem Hauptproblem des vorliegenden Budgetentwurfs. Es ist jetzt schon absehbar, dass wir durch dieses muntere „Weiter so!“ im kommenden Haushalt richtige Probleme bekommen werden. Sie verkennen völlig, dass mit dem Start jedes weitern Projektes ein Gegensteuern immer schwieriger wird. Sie verkennen, dass uns große Kostensteigerungen und Risiken im Bereich Tiefgarage und Deilmann-Rathaus drohen und sie haben noch keinen blassen Schimmer wie sie das Hertie-Loch wegbekommen sollen. Alleine in diesen drei Maßnahmen schlummern Investitionskosten von nochmal über 100 Millionen Euro!
Der vorliegende Haushalt ist auch nicht den äußeren Umständen geschuldet, wie uns die Kollegen von SPD und Grünen immer weiß machen wollen. Schauen sie sich die Steuersätze in den umliegenden Kommunen an und vergleichen sie die geplanten Investitionen, dann werden sie erkennen, dass wir hier hauptsächlich ein hausgemachtes Problem in Gronau und Epe haben.
Wir als UWG-Fraktion werden diesen Haushalt ablehnen, da er eben NICHT die dringend notwendige strategische Wende beinhaltet, die sie sich selber einreden und ich wage hier die Prognose, dass durch den Verschiebebahnhof der letzten Monate die Haushaltsmisere in verschärfter Form zurückkehren wird und dafür tragen Sie die Verantwortung sehr verehrte Kolleg/innen von CDU, SPD, FDP und Grünen. Denn sie beschließen hier eigentlich gar nicht mehr den Haushalt des Jahres 2024, sondern eigentlich schon die Aufstellung des Budgetentwurfs für das Jahr 2025.
Ich kann Ihnen sagen, was passieren wird: das erste Halbjahr 2024 ist bereits rum, bis der Haushalt rechtswirksam wird. Dann kommt der Jahresabschluss 2023 und die Sommerpause, wo traditionell wenig passiert und im Herbst wird die Kämmerei wieder die Millionensummen aufaddieren, damit im Dezember Bürgermeister Doetkotte seine Steuerverdopplungen oder wahlweise den Bankrott verkünden kann.
Wer also heute „JA!“ sagt, wird in 2025 „Amen!“ sagen müssen und dazu sind wir als UWG-Fraktion nicht bereit!